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Das Grosse Barriere-Riff

Dass die Stadt Darmstadt noch etliche Defizite aufweist, was die barriererfreie Ausgestaltung anbetrifft, ist offensichtlich nur Betroffenen bekannt.

Ex-TU-Praesident Bauingenieur Woerner hatte mit der Gestaltung seiner Bruecke die Messlatte der Ignoranz Behinderter ziemlich hoch gelegt. Gerade eben Denen wuerde diese Bruecke ja das Erreichen des Schlosshofes erleichtern, waere am Ende nicht eine Treppe der einzige Zugang zum Schlosshof und die Brücke bei winterlicher Witterung wegen Rutschgefahr der Holzbeplankung ohnehin gaenzlich gesperrt. Behinderte und spektakulaere Bauten scheinen nicht zusammen zu passen.

Das Darmstadtium tritt mit seiner unzugaenglichen Behindertentoilette im Erdgeschoss in die gleichen Fussstapfen, hinter einer schwergaengigen inzwischen mit tastengesteuerten Tueroeffner-Motor versehenen Tuer zur Damen- & Herrentoilette (das Rollstuhlfahrerschild wurde vergessen) ein Flur, an dessen Ende findet sich der Taster zum Oeffnen der Tuer zur Behindertentoilette direkt neben der Tuer, vor der man zwanglauefig stehen muss, um den Schalter erreichen zu koennen, zum Ausweichen ist der Flur zu schmal. Also ranfahen, druecken, stueckweise rueckwaertsfahren, damit die Tuer sich stuecke´weise oeffnen kann ... Der Schalter sollte sich 1 m vor der Tuer rechts an der Wand befinden statt direkt links neben der Tuer, siehe Richtlinien fuer barrierfreien Bauen!

Nach dem Verlassen der Behindertentoilette steht man dann wieder vor der schwergaengigen inzwischen mit tastengesteuerten Tueroeffner-Motor versehenen Tuer, die man nun aufziehendruecken muss, hoffend, dass nicht ein eiliger Besucher diese schwungvoll aufschleudert, wenn man gerade nach der Klinke dem Oeffnungstaster greifen will ...
Eine um 900 versetzte Tuer zur Behindertentoilette in der anderen Wand haette sowohl die Gesamtproblematik als auch Gedraenge im Flur verhindert.

Von der Paniktauglichkeit der das Gebaeude durchziehenden Rampen mit scharfen, vorspringenden senkrechten Kanten will ich lieber gar nicht erst anfangen (die werden hoffentlich noch verkleidet) sondern weise vorsichtig auf 50 cm tiefe und breite ungesicherte konstruktionsbedingte Stolpergraeben hin ...

Ebenso spektakulaer der kostspielige Umbau des Theaters, der jedoch keinen barrierefreien Zugang zur Behindertenloge gestattet, dazu ist die zwanzig Jahre alte Rampe viel zu steil, sowohl rauf als auch runter, denn der Auslauf der Rampe endet nach einem Meter und fordert einem eine abrupte 900-Wendung ab, wenn man den Schwung nicht in die Wand hineindiffundieren will. Eine DIN-gerechte Rampe waere im Zuge der brachialen Umbaumassnahmen leicht umzusetzen gewesen, Toilettenbesuche waehrend der Vorstellung bleiben nach wie vor ausgeschlossen.

Immerhin werden jetzt der Vorplatz und das Parkhaus fuer zwei Millionen Euro aufgehuebscht, vorsorglich wurden schon mal alle Baeume gefaellt. Sind wir mal gespannt, denn laut Pressesprecher habe man im Ministerium auch um extra Geld zur Verbesserung der Rampe nachgefragt. Jetzt, wo schon laengst alles neu gemacht ist. Jaja, ich weiss, Panta Rhei, Alles fließt und nichts bleibt; es gibt nur ein ewiges Werden und Wandeln ...

Dass nun aber die TU sich den faux pas erlaubt, bei der Errichtung ihres so aufwendigen neugebauten, neukonzeptionierten und repraesentativen Eingangs- und Rezeptionsgebaeudes den Aufzug zu vergessen, der es auch Rollstuhlfahrern oder andersweitig Gehbehinderten gestatten wuerde, die Universitaet barrierefrei zu betreten, empfinde ich tatsaechlich als aufsehenserregend.

Ebenso wie die Wegbeschreibung: da muessen Sie wieder aus dem Gebaeude raus, ganz um´s Hochhaus aussen rum, hinten dann die Rampe hoch, wieder um´s Hochhaus rum ganz nach vorne, ueber die Terasse und hinten an der Tuer klopfen, dann kommen Sie da oben hin ... Man stelle sich das nur einmal mit einem Rollator vor, der ja von Gehbehinderten gerne genutzt wird ihrer Gehbehinderung wegen ...

Immer wieder oktroyiert dies ein verstaendnisloses Kopfschuetteln, das auch den Architekten angeboren zu sein scheint, wenn sie ueber Barrierefreiheit im Allgemeinen und im Speziellen nachzusinnen gedenken sollten, zumindest stellt sich den Rollstuhlfahrern in Darmstadt dies so dar!

Anscheinend will man Rollstuhlfahrer bewusst ausgrenzen, Bauvorschriften, also Gesetze zur Gestaltung oeffentlicher Einrichtungen, werden solange umgedeutet, bis von der urspruenglichen Intention nichts mehr erhalten bleibt.

Und die Behinderten belieben draussen geblieben gelassen geworden zu sein.

Haetten sie besser mal vorher im Internet recherchiert!:
» Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr (1) Neubauten sowie große Um- oder Erweiterungsbauten der Behörden, Gerichte oder sonstigen öffentlichen Stellen des Landes Hessen ... sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten barrierefrei gestaltet werden. «

Mit so etwas kann man leicht seinen Ruf ruinieren, was glaubt man denn schon grossartig von einem Architekturstudium an einer Universitaet erwarten koennen zu duerfen, die sich ihren behinderten Besuchern mit einem solchermassen garstig anmutenden unverhaeltnismaessig teuren Entree-Neubau praesentiert ....

» karo 5 ist die „Willkommens-Plattform“ und erste Anlaufstelle für Studierende, Gäste der Universität und Bürger Darmstadts. Es ist ein offenes Haus, das viele Funktionen der Universität unter einem Dach vereint. «

... der Treppenwitz ...

in umfassender Schoenheit (Photomontage vorn/hinten)
Treppen, soweit das Auge nur reicht, fuenf Stueck an der Zahl, wenn ich richtig gezaehlt habe: links des Gebaeudes eine geteilte Treppe von ca. 12m Breite, links und recht innerhalb des Gebaeudes zwei Treppen in das Obergeschoß, rechts davon eine 3 m-Treppe und auf der Rueckseite eine ca. 7 m breite Treppe, also in einer geschaetzten Breite von etwa fuenfundzwanzig Metern und wahrscheinlich ziemlich kostspielig, dafuer hat man sich dann halt den Aufzug gespart.

Fuer eine handvoll Dollars

Selbstgebaute Aufzuege sind Klein, anspruchslos und kostenguenstig!

Heinze Bauoffice erklaert genau,
wie man so etwas doch besser professionell macht!

100 $ Aufzug

Meines Erachtens ist das Weglassen des Aufzuges und das Bestuecken mit fuenf Treppen angesichts der bestehenden Verpflichtung zur barrierefreien Ausgestaltung oeffentlicher Gebauede auch hinsichtlich des Benachteiligungsverbotes ein exemplarischer Beweis von Mißachtung der aktuellen Gesetzeslage und Unvermoegen des ausfuehrenden Architekturbueros, welches sich hierdurch selbst disqualifiziert fuer Bauprojekte oeffentlicher Gebauede, ergo ein Projekt architektonischen Kompetenz-Harakiris. Dilettanten ... olé.

» § 4 Benachteiligung
Eine Benachteiligung liegt vor, wenn Menschen mit und ohne Behinderungen ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch Menschen mit Behinderungen in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden. «

Die einzig logische, schluessige Konsequenz besteht jetzt darin, den Architekten die Kosten fuer den nachtraeglichen Einbau des Aufzuges vom bereits gezahlten Gehalt wieder rauszuklagen, statt das Geld aus Rentenkuerzungen zu finanzieren, was sonst ja gerne gemacht wird ...

Servicetheken

Dass auch ausnahmslos alle Service-Theken in Rollstuhlfahrer-Augenhoehe logieren, faellt angesichts der Geamtsituation kaum noch ins Gewicht ...
Obwohl sich ja doch tatsaechlich offenkundig Andere durchaus so ihre Gedanken hierzu machen und ganz passable Alternativen auf den Markt bringen.
Behinderte? NEIN! Hier studieren nur anstaendige Leute, so klingt das in meinen Ohren, wenn ich dieses krude Gesamtkonstukt mit seinem monstroesen Betondach betrachte.

Der einzige Weg ins Obergeschoss des Verwaltungs-Gebauede-Entree fuehrt jetzt durch ein halbes dutzend schwerer stahlberahmter Glastueren, nach einer Odyssee und dem Weg ueber eine Rampe findet sich ein Aufzug ins Obergeschoss, wieder aus dem Hochhaus raus und einmal ganz außen rum, ueber die Terasse dann von hinten zum Karo 5, dort klopft man eine Weile an die Glasscheibe, bis einige dort ins Gespraech vertiefte Studenten aufschrecken, aufspringen und die nur von innen zu oeffnende Tuer aufschwingen, damit man auch mit Rollstuhl, Rollator oder mit Kruecken Unterarm-Gehstuetzen das Obergeschoss aufsuchen kann, das auch als Praesentationsebene dienen soll. Der Weg zur Toilette geht dann genauso wieder zurueck, nur dass man rauskommt, ohne erst klopfen zu muessen. Zum Glueck immerhin ...

Zitat aus dem Reaktions-Schreiben auf den Zeitungsartikel:
»Gerade Körperbehinderten sollte man ein Studium ermöglichen, denn viele andere Wege ins Berufslebens sind ihnen ohnehin verbaut.« ... Wie wahr und trefflich formuliert.

Pressemeldungen hierzu: